Staatsverschuldung in Deutschland
Die Verbindlichkeiten in Form von durch Bund, Länder und Kommunen aufgenommener und nicht zurückbezahlter Anleihen, Darlehen und Kredite eines Staats gegenüber Dritten werden als Staatsverschuldung bezeichnet. Im Vertrag von Maastricht wurde er sinngemäß so definiert: Der Schuldenstand ist der Brutto-Gesamtschuldenstand zum Nominalwert am Jahresende nach Verrechnung von Forderungen und Verbindlichkeiten innerhalb des Staats.
Drei wichtige Fakten zur Staatsverschuldung und Schuldenuhren:
- Schuldenuhren können den Wert nur schätzen
- Rating-Agenturen setzen fest, wie „kreditwürdig“ ein Staat ist
- Es gibt für Deutschland noch Hoffnung: die Schulden langsam zurück
Schuldenuhr in Deutschland: frohes Schätzen
Jede Staatsschulden-Uhr zeigt ein anderes Ergebnis und keine hat am Ende recht. Der Grund hierfür ist, dass alle Schuldenuhren von alten Werten (meistens aus dem Vorjahresreport) ausgehen und mithilfe eines Algorithmus berechnen, wie sich die Staatsverschuldung voraussichtlich weiterentwickeln wird. Dabei sind Differenzen von 100.000.000.000 Euro und mehr zwischen den Staatsschuldenuhren möglich. Unsere „Schuldenuhr-Deutschland“ liegt zwar „nahe“ an dem, was Sie nächstes Jahr im Frühling im Jahresbericht des Statistischen Bundesamts lesen können, ist aber trotzdem noch weit von dem realen Schuldenstand entfernt, da die Haushaltspläne sich nicht an die Werte halten und es so Differenzen in Höhe von einigen Milliarden geben wird – wie jedes Jahr. Die berühmteste deutsche Schuldenuhr finden Sie am Gebäude des Bundes der Steuerzahler in Berlin.
Wozu ist eine Schuldenuhr dann gut?
Zugegeben, zunächst erschlägt einen der unaussprechlich und unvorstellbar hohe Billionen-Eurobetrag, den Sie hier auf unserer Staatsverschuldungs-Schuldenuhr sehen. Wenn man aber ein wenig genauer hinsieht, gibt es ein Fünkchen Hoffnung am Ende des Schuldenwahns, denn die Staatsschulden gehen langsam zurück. Die Staatsfinanzen bessern sich zwar im Schneckentempo und mit Mäuseschrittchen, aber dennoch: es geht zurück.
Neue Staatsschulden sind nicht immer negativ
Diese Werte sind Bruttowerte, da die Forderungen, die der Staat selbst an Dritte hat nicht gegengerechnet werden. Wenn ein Staat neue Schulden macht, ist das nicht immer etwas Schlechtes, denn das so aufgenommene neue Geld kann wirtschaftliche Engpässe ausgleichen, Unternehmen und somit Arbeitsplätze retten und dadurch das Bruttoinlandsprodukt steigern. Negativ wirken sich neue Schulden immer dann aus, wenn die Neuverschuldung nicht durch neue Geldaufnahmen, sondern allein durch die Last an Zinsen und Zinseszinsen immer weiter steigt.
Hier kommen die Zahlen her
Die jährliche Ermittlung der aktuellen Staatsverschuldung Deutschlands erfolgt durch die Deutsche Bundesbank und wird in Form des statistischen Jahrbuchs durch das Statistische Bundesamt jedes Jahr im Frühling publiziert. Verwaltet werden alle staatlichen Schulden von der Bundes-, Landesschuldenverwaltung sowie in Kommunen durch Kämmerer.
So kommen Sie zustande
Grob gesagt kommen die Schulden aus einer Misswirtschaft der Politik und unangemessenen Forderungen der Bürger zustande. Die Rechnung ist die gleiche wie bei jedem Unternehmen.
Dies sind die drei größten Ursachen auf staatlicher Seite:
- Höhere Ausgaben als Einnahmen
- Zinseszins-Effekt bei der Tilgung verhindert ausreichende Tilgung
- Anstelle von Investitionen kommen Neuverschuldungen durch Zinsbelastungen
Dies sind die drei größten Ursachen aufseiten der Bürger:
- Höhere Renten- und Sozialleistungsansprüche ohne Rücksicht auf Generationengerechtigkeit
- Ungünstiges Wahlverhalten
- Fehlende neue Unternehmensgründungen und Investitionen (Arbeitsplätze = Steuereinnahmen)
Entwicklung der Staatsverschuldung in Zahlen
Waren es Ende 2014 noch 2166 Milliarden Euro, sind es Ende 2015 noch 2149 Milliarden Euro gewesen. Das war nicht immer so. Seit Gründung der BRD sind die Schulden bis in die 2010er Jahre immer nur gestiegen, wobei man hier fairerweise auch die Schuldenhöhen berücksichtigen muss. 1987 waren es noch süße 43 Milliarden Euro, bereits drei Jahre später, 1990 hatten sich die Schulden auf 536 Milliarden Euro mehr als verzehnfacht. Die erste Billion wurde 1995 erreicht und 2010 verdoppelt. Erst danach bremste sich diese Entwicklung und wurde langsam rückläufig. Für Ende 2016 wird mit etwa 2140 Milliarden gerechnet, wobei niemand derzeit sagen kann, wie nah dieser Wert an dem realen Ergebnis liegen wird.
Entwicklung der Staatsverschuldung in der Geschichte
Nach der Gründung der Bundesrepublik Deutschland sah die Zukunft rosig aus, die wirtschaftlichen Prognosen waren zuversichtlich und die Bilanz entsprechend positiv. Die Staatsschulden wurden nicht getilgt, aber es wurden auch keine unverhältnismäßig hohe Neuverschuldung getätigt. Ende der 60er-Jahre wurde eine Gesetzesänderung vorgenommen, nach der, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten eine größere Neuverschuldung gemacht werden konnte und in wirtschaftlich starken Zeiten diese dann wieder abgetragen werden sollte. In den 70ern hatten die Staatsschulden eine Höhe erreicht, bei der alleine die Zinsen und Zinseszinsen die Schulden immer weiter und immer stärker ansteigen ließen. Erst 2009, im Zuge des europäischen Stabilitäts- und Wirtschaftspakts, wurden zwei neue Gesetze verabschiedet. Das Gesetz zur neuen gemeinsamen Schuldenregel (Grundgesetz, Artikel 109, Absatz 3) zwingt Bund und Länder ihre Haushalte ohne neue Schulden auszugleichen. Die Schuldenbremse (Grundgesetz, Artikel 115) regelt u. a., dass die strukturelle, jährliche Nettokreditaufnahme des Bundes ab 2016 auf maximal 0,35 % des Bruttoinlandsprodukts begrenzt wird. Ab 2020 dürfen Länder keine Nettokreditaufnahmen mehr tätigen. Nur in Notsituationen wie Naturkatastrophen u. Ä. werden Ausnahmen erlaubt.
Staatsverschuldung: deutsche Zukunftsaussichten
2020 soll, zum ersten Mal seit Jahrzehnten, eine Staatsverschuldung von 60 % des Bruttoinlandsprodukts erreicht werden. Womit Deutschland die Vorgaben des Maastrichter Vertrags erfüllen würde. Die Pro-Kopf-Verschuldung der Deutschen nimmt allerdings weiterhin zu.
Deutschlands Bonität
Trotz der immensen Staatsverschuldung und allerhand innerpolitischer Probleme wurde Deutschland auch dieses Jahr von den großen Ratingagenturen wie Fitch, Moody’s und Standard & Poor’s mit dem höchstmöglichen Rating, dem AAA, ausgezeichnet. Wie kreditwürdig ein Staat ist, lässt sich an den Ratings ablesen. Diese sagen aus, wie die Agentur die Sicherheit der Staatsanleihen beurteilt. Je besser das Rating ist, desto niedriger sind die Zinsen, die ein Staat bezahlen muss und desto sicherer sind Investments und Kredite die Anleger in diesem Land platzieren bzw. dem Land gewähren, gesichert. Schlechte Ratings können auch einen baldigen Staatsbankrott hinweisen bzw. diesen mit verursachen, da die Zinsen, die das Land auf seine Staatsschulden zahlen muss, sprunghaft in schwindelerregende Höhen steigen. Ratingagenturen sind nicht-staatliche Unternehmen, die die Kreditwürdigkeit von Unternehmen und Staaten bewerten (engl. to rate).
Staatsverschuldung, Staatsbankrott oder Schuldenschnitt
Gerade wenn es um Bezeichnungen und Namensschöpfungen geht, kann es Otto Normalverbraucher schon mal – je nach Nachrichtenquelle – passieren, dass eine gute Nachricht im Schuldensektor grauenvoll klingt und umgekehrt eine schlechte zuerst gar nicht schlecht klingt. Damit Sie sich bei „Defizit“ nicht die Korken knallen lassen, sondern eher argwöhnisch die Schuldenentwicklung der letzten beiden Jahre vor Augen haben, stellen wir Ihnen die am häufigsten verwendeten Begriffe kurz vor:
Begriff | Bedeutung und Relevanz für die Staatsverschuldung in Deutschland |
Bruttoinlandsprodukt |
Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bezeichnet die Größe einer Volkswirtschaft in Hinsicht auf die gesamte Wirtschaftsleistung eines Jahres. Es ist definiert als der „Geldwert aller im Inland verkauften Güter und erbrachten Dienstleistungen, die dem Endverbrauch dienen“. Hierzu gehören (grob zusammengefasst): Ausgaben von Privathaushalten, Unternehmen und Staatsausgaben |
Bürgschaft |
Eine Bürgschaft ist die Verpflichtung eine fremde Schuld zu bezahlen, wenn der eigentliche Schuldner zahlungsunfähig ist. Seit der Bankenkrise haftet Deutschland zusammen mit den anderen EU-Staaten für Hunderte von Milliarden Euro, und zwar für Banken und für andere Staaten des Euroraums. Diese Bürgschaftsschulden fließen nicht in die Staatsverschuldung ein |
Defizit |
Defizit ist der Betrag, um den in einem Haushaltsjahr des Staates dessen Ausgaben die Einnahmen übersteigen. Wenn z. B. ein Defizit im laufenden Jahr abgebaut wird, besteht immer noch ein Defizit, nur nicht mehr so hoch wie im Vorjahr |
Deflation |
Wenn zu wenig Geld im Umlauf ist, um Güter und Dienstleistungen zu erwerben, besteht eine Deflation. |
Gesamtverschuldung |
Mit der Gesamtverschuldung ist die Summe der in den vergangenen Jahrzehnten angesammelten Schulden gemeint. Diese Schulden bestehen u. a. aus Schulden von: Bund, Ländern und Kommunen (Gemeinden) einschließlich der Zweckverbände. Sondervermögen werden abgezogen. Implizierte Staatsschulden z. B. Sozialversicherungsschulden wie die der Rentenkassen werden derzeit nicht mit einbezogen. Sollte das irgendwann der Fall sein, wird die Staatsverschuldung stark zunehmen (ca. 4-5 Billionen Euro) |
implizite Staatsschulden |
Als implizite Staatsschulden werden die „versteckten“ Schulden bezeichnet. Das sind u. a. Sozialversicherungsschulden |
Inflation |
Wenn zu viel Geld im Umlauf ist, steigen Preise und Löhne immer weiter an. Die Folge ist eine Inflation, bei der das Geld seinen Wert verliert. Sparguthaben und Wertpapiere werden wertlos. Durch eine Inflation mit anschließender Währungsreform kann ein Staat sich seiner Schulden entledigen – allerdings nicht ohne negative Folgen |
Konjunktur |
Die Konjunktur beschreibt das Auf und Ab der inländischen Wirtschaft. In guten Phasen steigt das BIP, und die Arbeitslosenquote sinkt. In schlechten Phasen gehen die Steuereinnahmen zurück und die Staatsausgaben für Arbeitslose steigen |
Neuverschuldung |
Mit Neuverschuldung ist die Schuldensumme gemeint, die im Haushaltsjahr neu entsteht. Sie wird zu der bestehenden Gesamtverschuldung addiert |
Primärdefizit |
Von einem Primärdefizit wird gesprochen, wenn zwei Punkte erfüllt sind:
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Primärsaldo |
Der Primärsaldo ist das Ergebnis von Staatseinnahmen minus der Staatsausgaben eines Haushaltsjahres ohne Zinsausgaben. Er hilft zu beurteilen, wie ein Land wirtschaftlich dastehen würde, wenn es keine Staatsschulden hätte |
Primärüberschuss |
Dies ist die Voraussetzung dafür, dass ein Staat seine Schulden abbauen kann, denn ein Primärüberschuss besteht, wenn die Staatseinnahmen höher als die Ausgaben sind |
Refinanzierung |
Mit Refinanzierung ist bei Privatleuten, wie auch beim Staat die Aufnahme eines neuen, höheren Darlehens zur Tilgung eines alten kleineren Darlehens gemeint |
Schuldenschnitt |
Ein Schuldenschnitt liegt vor, wenn ein Staat erklärt, die Schulden nicht pünktlich und in voller Höhe zahlen zu können, stattdessen wird eine Vereinbarung getroffen und eine niedrigere Summe zu festgelegten Bedingungen zurückgezahlt |
Staatsbankrott |
Bekommt ein Land ein schlechtes Rating, erhöhen verunsicherte Investoren die Zinsen für geliehenes Geld. Eine erhöhte Zinslast kann ein Staat nur bis zu einer Grenze von etwa 90 % im Verhältnis zum BIP leisten. Danach fallen die Investoren aus und der Staat kann keine neuen Kredite bekommen, die alten nicht bedienen und muss in letzter Instanz den Staatsbankrott anmelden |
Staatsschuldenquote |
Die Schuldenquote steht für das Verhältnis zwischen Staatsschulden und Bruttoinlandsprodukt |
(Quellen: Bundeszentrale für politische Bildung, Bundesfinanzministerium, Bundesbank, Statistisches Bundesamt)
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